Rumänien - von Bergen und Bären
Anfang Juni erreichen wir die ungarisch-rumänische Grenze. Das erste Mal während unserer Reise müssen wir unsere Pässe vorzeigen. Es geht aber alles zügig und schon sind wir in Rumänien. Hinter uns ziehen bedrohliche schwarze Wolken auf, schnell los ins nächste Dorf um Unterschlupf zu suchen. Wir googeln und telefonieren rum und finden schließlich eine schäbige Unterkunft für 30 EUR. Da sie kein Wechselgeld haben und Kartenzahlung nicht möglich ist, bekommen wir das Zimmer für 20 EUR. Und selbst das war noch zu viel! Aber wir waren froh, im Trockenen zu sein, denn wir brauchten all unsere Kräfte für den nächsten Tag: 50 Kilometer auf einer dicht befahrenen Bundesstraße, um nach Arad, die erste größere Stadt auf rumänischer Seite, zu gelangen.
Bis jetzt war das wohl der schwierigste Tag unserer Reise. Die Autos, die LKW und dazu noch Wind mit bis zu 50 km/h, der mal von vorn, mal von der Seite bläst. In Arad selbst gibt es nicht viel zu sehen, aber immerhin können wir ein paar Einkäufe erledigen. Dann geht’s auf die Suche nach einem Platz zum Campen, der auch relativ schnell gefunden ist, denn abseits der Stadt wird es direkt sehr ländlich. Und wir treffen auch ziemlich schnell auf die „aggressiven“ Hunde, vor denen uns alle gewarnt haben. Wir werden ein paar Mal angebellt, aber weiter passiert erstmal nichts. Erstmal.
An unserem dritten Tag in Rumänien sieht das leider etwas anders aus: Wir haben den schönsten Wildcamping-Spot gefunden, legen uns bei Einbruch der Dunkelheit in unser Zelt und auf einmal hören wir neben uns ein Knurren. Dann folgt ein Bellen. Erst sind es zwei Hunde, dann werden es fünf oder sechs, die unser Zelt umzingeln und einfach nicht aufhören zu knurren und zu bellen. Da wurde uns schon ein bisschen anders.
Aber am nächsten Morgen war die Luft rein und wir konnten in Ruhe abbauen. Direkt am zweiten Campingtag in Rumänien hatten wir etwas gelernt: nie in unmittelbarer Nähe von einen Dorf campen und auf Hinweise achten, wie z.B. Hundehaufen oder Hinterlassenschaften von Schafen oder Ziegen, denn da sind meistens auch Hunde nicht weit.
Rumänien fühlt sich anders an als die Länder, durch die wir bislang gefahren sind. Irgendwie kommt es uns so vor, als wären wir auf einmal ganz weit weg. Die erste „richtige“ Grenze, eine Stunde Zeitverschiebung, Wasser können wir plötzlich nicht mehr überall ohne Bedenken aus dem Wasserhahn trinken und es gibt auf einmal keine Fahrradwege mehr. Der Unterschied zu Ungarn war krass. Dort war alles sauber, ordentlich, teuer. Hier war es dreckig, chaotisch, ärmlich.
Das hört sich vielleicht ziemlich negativ an, aber wir hatten richtig Lust auf dieses neue Land und uns packte erneut die Abenteuerlust. Wir wollten mehr über dieses Land erfahren, seine Menschen kennenlernen und den Mythen rund um Transsilvanien und Dracula auf den Grund gehen.
Die kommenden Tage machen uns die Hundeattacken noch ein bisschen zu schaffen, aber sobald wir in die transsilvanischen Alpen hineinfahren, wird es ruhiger. Wir genießen ein paar schöne Etappen durch hügelige Landschaften und kleine Dörfer, besichtigen einige der schönsten Städte von Siebenbürgen, wie Alba Iulia (Karlsburg) und Sibiu (Hermannstadt). Letztere war bereits Kulturhauptstadt Europas und hält viele Sehenswürdigkeiten und eine malerische Altstadt bereit.
Auf dem Weg lernen wir die rumänische Gastfreundschaft kennen. In einem kleinen Dorf werden wir in unserer Mittagspause von Sorin angesprochen. Er lebt und arbeitet in Spanien, kommt aber aus Rumänien und ist gerade auf Besuch in seiner Heimat. Wir wollten eigentlich nur schnell auf der Holzbank an der Straße unser Brot essen und weiterfahren, aber Sorin lädt uns sofort in seinen Hof ein und zeigt uns die Lavendelplantage seines Sohnes, serviert uns hausgemachten Wein und stellt uns die Straßenhunde vor, um die er sich liebevoll kümmert.
So eine unerwartete und tolle Begegnung! Damit hatten wir an diesem Ort wirklich nicht gerechnet. Wir verbrachten einen intensiven – wenn auch kurzen – Moment mit Sorin und mussten uns dann leider verabschieden, da wir für den Abend bereits eine Unterkunft gebucht hatten. Mit unserem neuen Freund sollen wir noch lange in Kontakt bleiben. Es sind solche Augenblicke, die das Radreisen so besonders machen und wir sind dankbar dafür.
Nun sind wir wirklich in den Karpaten angekommen. Wir machen uns auf den Weg nach Predelut in der Nähe von Bran. Dort haben wir uns für ein paar Nächte eine kleine Holzhütte gemietet, da wir die Gegend erkunden möchten (und weil wir bei dem kalten Regenwetter nicht campen mögen). Um dort hinzugelangen, müssen wir einige hundert Höhenmeter überwinden und wir fahren an beeindruckenden Gebirgszügen vorbei.
Während unseres viertägigen Aufenthalts ruhen wir uns aus, schauen uns das „Dracula“ Schloss in Bran an, machen eine Bergwanderung mit anschließender Bärenbeobachtung und unterhalten uns mit unserem lieben Gastgeber Konstantin über Gott und die Welt. Dann geht’s nochmal ca. 400 Höhenmeter rauf auf 1.200 m, bevor dann die Abfahrt Richtung Bukarest ansteht. Auf dem Weg finden wir eine idyllische Unterkunft, wo wir mal wieder vor Starkregen und Gewitter flüchten.
Wir werden auf rumänischen Schnaps „Palinka“ eingeladen und lernen ein paar Locals kennen, die dem Bukarester Trubel entfliehen und ein Wochenende auf dem Land verbringen.
Am nächsten Tag ist das Wetter – zumindest morgens – sonnig und wir machen uns auf in die Hauptstadt. Wir freuen uns sehr, denn hier werden wir uns mit Vince’ Bekanntem Paul und seiner Freundin treffen. Die drei Tage hier vergehen wie im Flug, wir treffen uns zweimal mit Paul, schauen uns den beeindruckenden Parlamentspalast an, besuchen einen typischen Markt und schlendern durch die Altstadt. Ein Highlight ist das Rumänische Dörfermuseum, ein Open Air Museum, wo man locker den ganzen Tag verbringen kann. Zudem liegt es im weitläufigen Park, sodass man beides mit einer Fahrradtour verbinden kann.
Ja, in Bukarest gibt es Radwege und auch sonst erinnert uns die Stadt ein wenig an unser geliebtes Berlin. Die entspannte Atmosphäre, die vielen großen Grünflächen und jede Menge hipper Bars und Cafés sorgen für einen gewissen Berlin-Vibe.
Nach ca. zwei Wochen neigt sich unser Rumänienaufenthalt dem Ende und wir sind froh, dieses Land kennengelernt zu haben. Unsere Erwartungen wurden nicht enttäuscht – im Gegenteil – sie wurden sogar übertroffen. Wir waren überrascht über die Gastfreundschaft und Offenheit der Menschen, denen wir begegnet sind und auch was die Natur angeht, kamen wir voll auf unsere Kosten.
Von Bukarest aus geht es Richtung bulgarische Grenze. Noch einmal wildcampen und dann werden wir in Bulgarien sein, in dem Land, in dem ich zahlreiche Ferien mit meinen Großeltern verbracht habe. Wie wird es sein, endlich am Schwarzen Meer anzukommen? Werde ich die Orte wiedererkennen? Wie wird es wohl sein, dieses Land mit dem Rad zu erkunden?