Frankreich & Andorra: eine etwas andere Pause vom Radeln und Wiedersehensfreude

 

Es ist mittlerweile Ende August, als wir die Fähre vom Norden Sardiniens nach Bonifacio im Süden Korsikas nehmen. Nicht mal eine Stunde dauert die Überfahrt und etwas komisch fühlt es sich schon an, auf einmal wieder die Landessprache fließend zu sprechen. Ein bisschen wie nach Hause kommen. Aber zu Hause sind wir noch lange nicht.

Wir strampeln uns vom Hafen hoch in die Altstadt, die wirklich sehenswert ist. Zu dieser Jahreszeit aber auch viel zu voll! Zu allererst steuern wir eine Bäckerei an, denn seit Tagen, nein, seit Wochen liegt mir Vince mit seinem französischen Baguette in den Ohren 😅 Und endlich ist es soweit! Der erste Biss in die krosse Kruste – ein Traum. Die Franzosen wissen, wie man gutes Brot macht, das muss man ihnen schon lassen. Der Stopp an der Boulangerie wird schnell zur täglichen Routine. Wir suchen uns eine Unterkunft außerhalb der Stadt und planen unsere weitere Route. Vorerst ist unser Ziel Cervione, ein Ort im Nordosten der Insel, wo wir ein paar Wochen Pause vom Radreisen machen wollen. Der heiße Sommer hat uns körperlich und mental viel abverlangt und die Auszeit ist seit Wochen überfällig.

Wir fahren ein paar Kilometer an der Küste entlang, merken aber schnell, dass das nicht nur stressig, sondern auch richtig gefährlich ist. Die Saison neigt sich zwar dem Ende zu, aber da wir auf der Hauptachse unterwegs sind, die den Süden und den Norden der Insel verbindet, ist extrem viel Verkehr dort. Von Radwegen keine Spur und es gibt nicht mal einen Seitenstreifen. Die Autos fahren super knapp an uns vorbei, oft viel zu schnell und wir werden sogar Zeugen von einem Unfall, der hätte böse enden können. Zum Glück wurde aber niemand verletzt. Wir entscheiden uns also mal wieder in die Berge zu flüchten und ein paar Pässe zu überqueren, anstatt auf der flachen Küstenstraße zu unserem Ziel zu radeln.

Und mal wieder ist das die richtige Entscheidung! Wir fahren durch spektakuläre Landschaften mit bizarren Felsformationen, vorbei an Wasserfällen mit eiskaltem und kristallklarem Wasser und durch malerische Dörfer. Die Hitze der Küste lassen wir hinter uns und hier auf ca. 1000 M.ü.M. sind die Temperaturen wirklich angenehm. Die Einheimischen sind super nett und aufgeschlossen und auch das Wildcampen ist überhaupt kein Problem. An Frischwasserquellen mangelt es auch nicht und so radeln wir staunend durch das Zentrum der Insel. Die Höhenmeter stören uns wenig, denn die Straßen sind kaum befahren und wir können entspannt in unserem Rhythmus radeln. Immer wieder mal müssen wir vor dem Regen flüchten, aber meist gibt es ein nettes Café oder die obligatorische Boulangerie, wo wir eine Pause einlegen können.

Auf den letzten Kilometern vor unserem Etappenziel Cervione erreichen wir das Bergdorf Ghisoni, wo wir nochmal einen Pausentag aufgrund schlechten Wetters einlegen. Die Lage des Ortes ist einfach wunderschön und bietet traumhafte Aussichten auf die spektakulären Berge rundherum. Wir lassen uns eine knusprig-leckere korsische Pizza schmecken und treffen so viele Radreisende, wie lange nicht mehr. Noch ein kurzer Stopp im kleinen Dorfladen neben der Kirche und dann gehts in unsere gemütliche Unterkunft, wo wir ein paar ruhige Stunden genießen, bevor es weiter zum Etappenziel geht.

Durch ein Paar Radreisender aus Deutschland, die wir in Griechenland getroffen haben, haben wir von dem Ökotourismusprojekt in Cervione erfahren. Die beiden erzählten uns, was für eine tolle Zeit sie bei Pascale und Gilles gehabt haben und empfohlen uns den Ort, um mal etwas anderes zu machen als Radzufahren. In den kommenden drei Wochen sollten wir uns im Gärtnern und bei der Haselnussernte versuchen. Für wenige Stunden Arbeit am Tag erhalten wir ein komfortables eigenes Zimmer und eine Mahlzeit am Tag.

Es hat uns riesigen Spaß gemacht, Neues auszuprobieren und etwas über Permakultur und Ökotourismus zu lernen. Jeden Morgen waren wir hochmotiviert und die Arbeit war abwechslungsreich. Wir waren zwar hauptsächlich für die Haselnussernte zuständig, es fielen aber auch immer mal wieder andere Aufgaben an, die erledigt werden mussten. So ernteten wir Auberginen, Zucchini & Co, säten Samen für Wintergemüse wie Salat und Kohl und kochten Tomatensauce auf Vorrat. Außerdem gab es jeden Tag ein leckeres Mittagessen, dass wir zusammen mit unseren lieben Gastgebern genießen durften. Dabei konnten wir uns super über unsere Reisen austauschen und richtig in den Alltag vor Ort eintauchen.

Direkt von Anfang an fühlten wir uns als Teil der Familie und wurden in alle Aktivitäten mit eingebunden. So machten wir gemeinsam Ausflüge in die beeindruckende Bergwelt Korsikas, unternahmen entspannte Spaziergänge an der Küste zu menschenleeren Stränden und durften sogar mit zu einem Konzert mit traditioneller rumänischer Musik, welches im Rahmen eines Festivals stattfand. Auch Armin kam während unseres Aufenthalts in Cervione voll auf seine Kosten: Bergamotte, der freundliche Hund unserer Gastgeber war der perfekte Buddy für unseren Armin und brachte ihm sogar bei, wie man Haselnüsse knackt! 😅

Der Abschied fiel allen schwer, als wir nach über drei Wochen mit den Taschen voll gerösteter selbst geernteter Haselnüsse wieder los radelten. Aber wir hatten noch viel vor: einmal durch die Berge im Norden Korsikas radeln und mit der Fähre rüber aufs französische Festland, wo einige Familienbesuche anstanden. Jedenfalls waren wir nach dieser etwas anderen Auszeit total energiegeladen und die Motivation, noch hunderte Kilometer zu radeln, war zurück. Das Klima tat sein Übriges, denn seit ein paar Wochen war die unerträgliche Sommerhitze endlich vorbei und die Temperaturen wieder angenehm.

In der ersten Nacht im Zelt haben wir sogar ein bisschen gefroren. Selbst unsere obligatorische abendliche Campingdusche ließen wir an dem Tag ausfallen! Dafür war das Radeln tagsüber umso schöner. Unser Gastgeber Gilles, der übrigens auch Berg-Guide ist, hatte uns viele Tipps für die Route gegeben und so fuhren wir über ruhige Landstraßen durch malerische Berglandschaften und wunderschöne, typische Dörfer. Ein Highlight war der Ort Speloncato, der höchste der Region Balagne, der uns zwar einige extra Höhenmeter strampeln ließ, aber dafür mit tollen Ausblicken belohnte.

Am 02.10.2024 ging es dann nach gut einem Monat auf Korsika mit der Nachtfähre nach Marseille. Wir haben auf dieser Reise schon einige Male die Fähre genommen, aber diese war definitiv die komfortabelste, die wir je hatten. Allerdings musste Armin während der gesamten Fahrt in einem Käfig verweilen, was für uns und wahrscheinlich auch für ihn nicht so toll war. Aber alle haben es überstanden und wir konnten es kaum glauben, dass wir nun tatsächlich in Marseille sind und Vincents Mutter und ihren Partner sowie Vincents Cousin nach langer Zeit endlich wiedersehen würden.

Nach einer Woche Pause und Familytime ging es weiter Richtung Westen. Überrascht waren wir über die gut ausgebaute Infrastruktur für Radfahrer in Frankreich. So viele Kilometer am Stück auf einem richtigen Radweg zu fahren, das hatten wir lange nicht erlebt! Auch wenn das Wetter besser hätte sein können, genossen wir es, an Kanälen entlang und durch schöne kleine Städte zu radeln. Wir machten noch zweimal Stopp bei Freunden und Familie, wo wir vor dem schlechten Wetter Unterschlupf fanden und ein paar schöne gemeinsame Stunden verbringen konnten.

Unser Weg führte uns nach Arles, eine bildhübsche kleine Stadt, die für ihr beeindruckendes römisches Amphitheater bekannt ist.

Über Perpignan ging es dann in die Pyrenäen Richtung Andorra. Da stand der nächste Besuch an: wir wollten Vincents Papa zum ersten Mal in seinem neuen Zuhause besuchen. Das Wetter wurde leider nicht besser, doch glücklicherweise gibt es die tolle Warmshowers Community, dank der wir die Nacht nicht bei Kälte und Unwetter draußen verbringen mussten. Es ist immer wieder toll, auf Gleichgesinnte zu treffen und sich über die erlebten und geplanten Abenteuer auszutauschen. Außerdem gab es wieder super Tipps für die nächste Etappe, die uns in ein abgelegenes, aber wunderschönes Dorf auf über 1.300 Metern Höhe führte. Auf der Suche nach einer Unterkunft fanden wir ein „Velogite“, eine Unterkunft für Radfahrer, die eigentlich ausgebucht war. Wir versuchten trotzdem unser Glück und siehe da, wir durften im riesigen Zelt mit richtigem Bett schlafen! Ein bisschen kalt war die Nacht trotzdem, aber bequemer als unser übliches Camping allemal. Freundlicherweise durften wir auch im Haus eine warme Dusche nehmen und so war der Abend gerettet.

Am nächsten Tag machten wir schon einmal einen kleinen Schlenker durch Spanien und campten an einer kleinen Kapelle auf einem Hügel, bevor es tags darauf nach Andorra gehen sollte. Das Radfahren entlang der Hauptstraße war weniger angenehm, aber als Belohnung wartete eine erholsame Woche bei Vince Papa und seiner Frau auf uns. Jeden Tag wurden wir toll bekocht und machten viele Ausflüge zusammen. Es war so schön, sich nach so langer Zeit endlich mal wieder zu sehen und natürlich verging die Woche viel zu schnell. Andorra hat uns auf jeden Fall überrascht. Die Städte sind sauber, die Berglandschaft beeindruckend und die Menschen freundlich. Wir wussten nicht viel über dieses kleine Land und sind froh, es ein wenig kennengelernt zu haben. Wir werden auf jeden Fall wiederkommen.

Nun trennen uns nur noch wenige Kilometer von unserem lang ersehnten Lieblingsreiseland Spanien!