Hund adoptiert - Radreise vorbei?!


Um zurück nach Armenien zu kommen, mussten wir unsere bis dato längste Busreise hinter uns bringen. Geplant waren ca. zwanzig Stunden, es wurden über 26. Glücklicherweise klappte diesmal mit dem Verstauen der Räder alles super, was leider nicht immer der Fall war. Auch der Preis, der für die Fahrradmitnahme verlangt wurde, war mit der Hälfte des Ticketpreises ausnahmsweise ok. Die Zeichen standen also schon einmal gut, dass es eine angenehme Busfahrt werden würde.

Gut 1.100 Kilometer legten wir innerhalb eines Tages zurück, mehr als wir sonst in einem Monat radeln. Wir passierten die gleiche Grenze, über die wir vor eineinhalb Monaten in den Iran eingereist waren. Gegen Mitternacht kamen wir an und jetzt hieß es: Räder und gesamtes Gepäck raus aus dem Bus, Taschen ab, durch den Scanner, Taschen wieder rauf und auf armenischer Seite das Ganze noch einmal. Den Ablauf kannten wir ja schon vom letzten Mal. Dass wir aber ganze drei Stunden warten müssen, bis wir die Busfahrt fortsetzen können, damit hatten wir nicht gerechnet.

Somit kamen wir am nächsten Vormittag in der armenischen Hauptstadt an und es klingt vielleicht komisch, weil wir hier zuvor nur eine gute Woche verbracht hatten, aber es fühlte sich ein bisschen wie nach Hause kommen an. Obwohl uns der Iran wirklich gefallen hat, waren wir froh, wieder in einer Kultur anzukommen, die der unseren ähnlicher ist; für mich war es vor allem eine große Erleichterung, kein Kopftuch mehr tragen zu müssen. Wobei die Temperaturen hier im Dezember nun schon so winterlich waren, dass es mich wahrscheinlich gar nicht gestört hätte, meinen Kopf zu bedecken.

Wir hatten uns vorab für eine Woche eine hundefreundliche Unterkunft gebucht und mussten nur noch einen Mietwagen organisieren, um in den Süden von Armenien zu fahren und unseren Welpen abzuholen. Es stand also noch einmal eine sechsstündige Autofahrt an durch all die Landschaften, die wir im Herbst per Rad erkundet hatten. Die rötlichen Baumkronen hatten sich nun in schneebedeckte Gipfel verwandelt. Ein seltsames Gefühl, diese Strecke durch endlos scheinende Gebirgszüge nun bequem im Auto zurückzulegen.

Wir übernachteten in Tatev wieder bei Gayane und ihrer Mutter im Guesthouse, dort wo wir bereits im Oktober zu Gast waren. Von dort aus sollten wir unseren kleinen Armin in Kapan abholen. Wird er uns überhaupt wiedererkennen? Wird er einfach so mit uns mitkommen, nachdem er sechs Wochen bei einem anderen Menschen gelebt und sich an ihn gewöhnt hat? Und wird dieser Mensch, Karen, überhaupt zum vereinbarten Treffen auftauchen?

Unsere Sorgen waren unbegründet. Karen und Armin waren pünktlich beim Tierarzt, wo wir uns verabredet hatten. Erstmal erkannte der Kleine uns nicht, aber nach ein paar Sekunden des Beschnüffelns war die Freude auf beiden Seiten groß. Er hatte uns nicht vergessen! Ein sehr bewegender Moment für uns. Leider konnten wir dann aber doch nicht einfach mit Armin wieder abdüsen. Zumindest nicht sofort. Er sollte noch eine weitere Impfung bekommen, weil er während unserer Abwesenheit krank war und die Originalimpfung wohl nicht gewirkt hat. Und diese weitere Impfung sollte am nächsten Tag gemacht werden. Hätte man uns das nicht eher sagen können? Eigentlich sollten wir heute noch die Rückreise antreten. Aber nun gut, ändern können wir es sowieso nicht, also nehmen wir es so hin. Hauptsache, wir haben unseren kleinen Schatz wieder!

Die Rückreise läuft erstaunlich gut. Armin sitzt ruhig in seiner Box auf dem Rücksitz und ist auch sonst ganz brav. Er ist in den letzten Wochen ganz schön gewachsen und ein bisschen traurig sind wir, dass wir diese Zeit nicht mit ihm verbracht haben. Aber wir bereuen unsere Entscheidung trotzdem nicht, den Iran bereist zu haben. Es war definitiv ein Highlight unserer Reise und mit Hund wäre es um einiges komplizierter gewesen. Wie kompliziert das Reisen tatsächlich wird mit Armin, wird sich noch herausstellen.

Der Plan ist nun, über Georgien wieder in die Türkei zu reisen (die Landgrenzen zwischen Armenien und der Türkei sind leider dicht) und schnellstmöglich die Mittelmeerküste zu erreichen, um die kältesten Monate zu überbrücken. Da wir nun aber einen vierbeinigen Begleiter haben, gilt es einiges zu bedenken. Aus unserer ursprünglichen Idee, den Winter auf Zypern zu verbringen, wird schonmal nichts, da man für die Einreise mit Hund bestimmte Papiere braucht, die wir so auf die Schnelle nicht bekommen.

Und wie sollen wir den Hund überhaupt mit unseren Fahrrädern transportieren? Ein Anhänger muss her! Und schon stehen wir vor der nächsten Herausforderung. Denn Fahrradanhänger, geschweige denn Fahrradanhänger für Hunde, gibt es in Armenien nicht. Wir fragen bei verschiedenen Fahrradläden erfolglos nach und landen schließlich wieder bei Emil, der bereits bei unserem letzten Jerewanbesuch unsere Räder fit gemacht hat. Und siehe da, er schlägt uns vor, uns einen Anhänger zu bauen. Was für ein Glück!

Ein Problem gelöst, geht es direkt weiter: wie kommen wir nach Georgien? Radeln wollen wir die Strecke nicht noch einmal, schon gar nicht im tiefsten Winter. Ein Besuch am Bahnhof von Jerewan ist ernüchternd; die Tickets sind teuer und man kann uns nicht wirklich sagen, ob die Fahrräder und der Hund ohne Probleme mitfahren können. Diese Option fällt also schon einmal raus. Ein Auto zu mieten ist aufgrund des Grenzübergangs viel zu teuer. Und da kommt wieder der gute Emil ins Spiel. Er bietet an, uns zu fahren. Wie viel Glück kann man eigentlich haben? Sobald der Hundeanhänger fertig ist, werden die Räder auf das Dach von seinem Van geschnallt und es geht Richtung Tiflis.

Armins erster Grenzübertritt läuft einwandfrei, aber Emils Hündin darf nicht mit nach Georgien, da sie nicht gechippt ist. Aber auch hier wird eine Lösung gefunden: die Hundedame verbringt die nächsten Stunden bei einem Bekannten nahe der Grenze und wir setzen unsere Fahrt fort. Kurz vor der georgischen Hauptstadt werden unsere Nerven noch einmal auf die Probe gestellt: mehr als zwei Stunden müssen wir im Stau ausharren, bis wir endlich in unserer Unterkunft im Stadtzentrum ankommen. Noch einmal vielen Dank für alles, Emil!

Bei unserem letzten Besuch in der Stadt Anfang September war es sommerlich warm, nun war auch hier der Winter da und überall roch es nach Glühwein und die Straßen waren schon weihnachtlich geschmückt. Kontrastprogramm zum Iran, wo wir ein paar Tage vorher natürlich noch überhaupt nichts von Vorweihnachtszeit gespürt hatten. Wir wollten nur ein langes Wochenende hier blieben und dann an die Schwarzmeerküste fahren, von wo aus es dann in die Türkei gehen sollte. Aber es kam mal wieder anders als geplant.

Vince hatte sich schon vor Wochen eine neue Bremse nach Tiflis bestellt, denn nach seinem Sturz in Svanetien im Sommer war diese nur provisorisch repariert worden. Eigentlich hätte das Teil längst geliefert werden sollen, aber anscheinend hing das Paket irgendwo zwischen Türkei und Georgien fest. Also hieß es mal wieder abwarten und Unterkunft verlängern. Wir hatten allerdings bereits ein Häuschen in Batumi an der Küste gemietet und hatten somit ziemlichen Zeitdruck.

Wir beschlossen, erst einmal nach Batumi zu fahren. Vince kann dann immer noch mit dem günstigen Zug nach Tiflis fahren und seine Bremse abholen. Alles etwas umständlich und nicht wie wir es uns vorgestellt hatten, aber machbar. In unserem Haus angekommen, kamen uns wieder große Zweifel an unserer Entscheidung, einen Welpen adoptiert zu haben. Die Holzhütte entsprach überhaupt nicht unseren Erwartungen, es gab kaum Platz um Sachen abzustellen, das Bad roch nach Schimmel und der Garten war ein einziges matschiges Gelände. Ganz zu schweigen von den Bauarbeiten auf dem Grundstück, die oft bis spät abends andauerten und einen Riesenlärm machten.

Ein Schuldiger war schnell gefunden: wäre der Hund nicht, hätten wir eine viel größere Auswahl an Unterkünften und wären jetzt nicht gezwungen, es hier auszuhalten. Nein, schlimmer noch: wir hätten gar nicht erst noch einmal nach Armenien und Georgien fahren müssen, sondern hätten direkt vom Iran in die Türkei radeln können und den Winter wie geplant auf Zypern verbringen können! Natürlich ist das nicht Armins Schuld, sondern komplett unsere eigene. Wir haben schließlich die Entscheidung getroffen, das kleine Monster zu adoptieren. Dass solche Gedanken hin und wieder kommen, ist aber glaube ich ganz normal und menschlich. Man sagt viel zu oft „was wäre wenn“ anstatt einfach mal das Beste aus jedem Moment zu machen. Ein guter Vorsatz fürs neue Jahr ist also schonmal gefunden, ist ja nicht mehr lange hin!

Also beißen wir die Zähne zusammen, versuchen so gut es geht, Armin zu trainieren und reisen nach knapp drei Wochen, anstatt der geplanten vier, per Rad in die Türkei. Das Haus war so günstig, dass wir auf die eine Woche gut und gerne verzichten konnten. Nun stand noch einmal eine zwanzigstündige Busfahrt nach Gaziantep im Südosten der Türkei an, wo wir unseren Freund Ali besuchen und Armins Tollwut Antikörpertest machen lassen wollten, den wir unbedingt für die Einreise in die EU benötigen.

Als diese Hürde geschafft war, mussten wir noch einmal sechs Stunden Bus fahren und dann waren wir endlich an unserem großen Zwischenziel angekommen: dem Mittelmeer. Nun sollte es endlich wieder in den gewohnten Radreise-Rhythmus gehen und das bei hoffentlich angenehmeren Temperaturen. Eine tolle Motivation hatten wir auch: in gut drei Wochen sollen wir zuerst Besuch von meiner Familie, dann von Vince’ Cousine und Cousin bekommen und zu diesem Anlass hatten wir uns diesmal ein wirklich schönes Häuschen gemietet.

Um dorthin zu kommen, lagen allerdings fast 700 Kilometer und 8.000 Höhenmeter vor uns. Hatten wir die letzten Wochen das Gefühl, unsere Radreise und das aufregende Abenteuer seien vorbei, geht es jetzt wieder richtig los. Wir freuen uns auf die kommenden Wochen im Sattel und natürlich noch mehr auf das Wiedersehen mit unseren Liebsten nach all den Monaten unterwegs.

Wie wird Armin mit dem neuen Unterwegssein zurechtkommen? Wie wird es, mit ihm zu campen? Werden wir pünktlich in unserer gebuchten Unterkunft ankommen? Wir planen äußerst ungern so weit im Voraus, aber aus organisatorischen Gründen und aufgrund des Familienbesuchs war es nicht anders möglich. Wir waren seit Anfang Dezember kaum Rad gefahren, nun war fast Mitte Januar. Wie es für uns nach der Pause und mit Armin an Bord läuft, lest ihr im nächsten Artikel.