Bye bye Türkiye, hello Greece – oder doch nicht?!

 

März 2024. Wir verlassen also unseren liebgewonnenen Alltag im schönen Lavender House, wo wir einen ganzen Monat lang Winterpause gemacht haben. Natürlich fällt es uns schwer, wieder auf die Räder zu steigen, aber die Motivation und die Lust auf das Neue und Unbekannte überwiegt dann doch. Und außerdem freuen wir uns sooo sehr auf Griechenland! Bis dahin muss aber noch die eine oder andere Hürde genommen werden.

Erstes Ziel ist Fethiye, eine Stadt am Mittelmeer, wo wir direkt wieder eine kleine Pause machen müssen, da Vince’ Pedale kaputt ist und wir sie dort reparieren lassen möchten. Bis jetzt konnte Vince immerhin noch treten und so dachten wir, dass wir die 70 Kilometer bis Fethiye auch noch schaffen. Zu früh gefreut! Nach nur zwanzig Kilometern gibt die Pedale komplett den Geist auf und ab jetzt heißt es: schieben. Drei große Steigungen über mehrere Kilometer liegen vor uns. Bergab kann er zum Glück rollen, sodass wir es noch vor dem Dunkelwerden zu unserer Unterkunft schaffen.

Trotz der erschwerten Bedingungen war diese erste Etappe wirklich schön. Wir hatten nämlich mal wieder eine Strecke abseits der Hauptstraße gefunden, die uns tolle Aussichten auf die umliegende Natur bot. Grüne Wiesen, hügelige Panoramen bis hin zu schneebedeckten Gipfeln – es war alles dabei. Tags darauf in der Fahrradwerkstatt treffen wir Amelie aus Deutschland, die auch seit letztem Jahr mit dem Rad unterwegs ist. Wir schlendern gemeinsam über den riesigen Wochenmarkt und tauschen Reisetipps aus. Sie ist nämlich Richtung Osten unterwegs und kommt gerade erst aus Griechenland, wo sie mehrere Monate verbracht hat.

Wir verlassen Fethiye und wollen nun wieder in den Radel-Alltag zurück. Mit Camping und allem Drum und Dran. Aber irgendwie ist der Wurm drin. Am ersten Tag regnet es den gesamten Nachmittag, sodass wir wieder notgedrungen in einem Hotel landen. Tags darauf finden wir einfach keinen passenden Platz zum Zelten und dann verlieren wir auch noch eine Schraube am Anhänger. Wieder eine Unterkunft suchen. Wir sind genervt und fragen uns, ob wir es je wieder schaffen, in unseren alten Rhythmus reinzukommen. Hätten wir nicht so lange pausieren sollen? Hätten wir den Hund nicht adoptieren sollen?

Die negativen Gedanken verschwinden zum Glück schnell wieder, als wir am nächsten Tag eine richtig schöne Radeletappe absolvieren. Erst geht es an einem See – mit Fahrradweg! – entlang mit tollen Blicken auf die umliegende Bergwelt, dann durch endlos scheinende, duftende Orangenhaine. Zwischendrin mal ein Zitronen- oder Pampelmusenbaum, aber hauptsächlich Orangenbäume, die voll mit saftig-reifen Früchten hängen. Da müssen wir zuschlagen! Für umgerechnet einen Euro belade ich unsere Packtaschen mit zwei Kilo Zitrusfrüchten. Zum Glück stehen heute nicht mehr ganz so viele Höhenmeter an!

Am Nachmittag erreichen wir die Stadt Akyaka und die Suche nach einem Campingspot wird mal wieder zur Herausforderung. Wir wären heute sogar mal auf einen offiziellen Campingplatz gegangen, aber alles scheint saisonbedingt noch geschlossen zu sein. Gegen Abend finden wir dann an einem kleinen Strand ein ruhiges Plätzchen, wo wir uns für die Nacht niederlassen. Nach einer kurzen Nacht – es kamen doch noch ein paar Besucher zum Strand und Armin schlug jedes Mal Alarm – stand wieder eine anstrengende Etappe mit reichlich Bergaufstrampeln auf dem Programm.

Definitiv einer unserer schwierigsten Tage. Es ging gefühlt nur bergauf. Zur Müdigkeit gesellten sich bei mir auch noch Kopfschmerzen. Wir hatten kaum noch Wasser und Proviant. Das Treiben an der Küste war so geschäftig und es gab Läden und Cafés im Überfluss. Hier oben, nur ein paar Kilometer entfernt, waren wir auf einmal wie in einer anderen Welt. Weit und breit keine Menschenseele, geschweige denn Einkaufs- oder Einkehrmöglichkeiten. Wir lieben solche Gegenden ja, wo es außer der Natur und uns nicht viel gibt, aber hier waren wir absolut nicht darauf vorbereitet und hofften inständig, dass es im nächsten Dorf zumindest einen Supermarkt geben würde.

Fehlanzeige! Es gab eine Teestube und das einzig Essbare, das man dort bekommen konnte waren Sandwiches. Vince bestellte sich ein Käsesandwich und bekam zwei. Obwohl es mich anwiderte, nahm ich ein paar Bissen. Der Hunger war groß und es gab einfach nichts anderes. In der Moschee nebenan konnten wir immerhin Wasser auffüllen und für den Abend hatten wir noch ein paar Reste, aus denen wir noch eine Mahlzeit zaubern konnten. Und so kam es, dass wir am nächsten Morgen zum ersten Mal auf unserer Reise nichts mehr zu essen hatten.

Der nächste Supermarkt war noch weit entfernt und so hangelten wir uns von Minimarkt zu Minimarkt und hielten uns mit Nüssen und Keksen über Wasser. Hauptsache Kalorien! Denn mit dem Bergaufstrampeln war es noch nicht vorbei. Nach gut zwanzig Kilometern kommen wir an der Küste – und gefühlt zurück in der Zivilisation – an. Erst einmal Vorräte aufstocken und dann machen wir uns auch schon auf die Suche nach einem Schlafplatz. Die letzten Tage waren kräftezehrend und wir haben alle Zeit der Welt.

Es gibt nur einen Campingplatz, der offen ist, also fällt die Wahl nicht schwer. Den Nachmittag verbringen wir am Strand und Armin spielt mit zwei zuckersüßen Welpen. Wir sind heute nur 28 Kilometer gefahren, aber es fühlt sich an als wären es achtzig gewesen. Morgen erreichen wir den Urlaubsort Bodrum, wo wir uns gleich für vier Nächte eine Unterkunft gebucht haben. Wir haben noch einiges zu erledigen für die Einreise mit Armin in die EU und seit ein paar Tagen machen wir uns Gedanken, ob wir unsere geplante Route tatsächlich bis zum Ende durchziehen wollen.

Bodrum gefällt uns überhaupt nicht. Da, wo vielleicht einst ein historischer Stadtkern war, sind die Straßen übersäht mit internationalen Kaffeeketten und Restaurants. Kein Ort, an dem wir mehr Zeit als nötig verbringen möchten. Wir schauen unsere weitere Route an: wieder viel Autobahn, noch mehr Höhenmeter. Auf dem Weg keine besonderen Sehenswürdigkeiten, die uns interessieren. Müssen wir uns das wirklich antun? Wir hören auf unser Bauchgefühl und entscheiden uns, nicht weiter zu fahren. Stattdessen wollen wir unsere letzten Tage in der Türkei in der Nähe von Bodrum verbringen, denn auch von hier aus können wir die griechischen Inseln gut erreichen.

Nur aus Bodrum-Stadt müssen wir unbedingt raus. Wir haben riesiges Glück und finden ca. dreißig Kilometer entfernt eine günstige Unterkunft. Die Fahrt dorthin ist mal wieder anspruchsvoll und wir müssen eine der steilsten Straßen unserer gesamten Reise meistern. Erschöpft, aber happy kommen wir in dem Ort Turgutreis an. Hier ist es gleich viel entspannter als in Bodrum. Unsere Unterkunft liegt etwas außerhalb in einem ruhigen Viertel. Und das beste: wir haben eine eigene, eingezäunte Terrasse, auf der wir Armin frei laufen lassen können.

Außerdem erfahren wir, dass wir die Fähre nach Kos auch direkt von hier aus nehmen können. Wir müssen also nicht nochmal zurück nach Bodrum, wunderbar! Dass wir in den kommenden Wochen noch mehr als einmal in die Stadt zurückkehren müssen, wissen wir noch nicht.

Der Tierarzt, bei dem wir in Bodrum wegen Armins Papieren waren, konnte uns leider gar nicht helfen. Er konnte keinerlei Aussagen zu Einreisebestimmungen in die EU machen und auch die Sprachbarriere erleichterte das Ganze nicht. Unser lieber Gastgeber in Turgutreis kann uns eine Tierärztin im Ort empfehlen und begleitet uns sogar als Übersetzungshilfe. Hatten wir bislang immer die Information bekommen, dass das benötigte Gesundheitszeugnis von einem Tierarzt unterschrieben werden kann, wurde uns nun mitgeteilt, dass wir damit zum Veterinärsamt müssen.

Batu, unser Gastgeber, organisiert uns eine Autofahrt nach Bodrum, um nun endlich dieses blöde Papier zu bekommen und er begleitet uns auch dieses Mal. Was hätten wir nur ohne ihn gemacht? Wir sind ihm so unendlich dankbar, dass er uns in diesem ganzen Schlamassel so unterstützt hat. Der Besuch beim Veterinärsamt bleibt erfolglos; man könne uns das Dokument nicht unterschreiben, da die vorgeschriebene Frist noch nicht verstrichen ist. Wir sollen nächste Woche wiederkommen.

Später stellt sich heraus, dass nächste Woche Zuckerfest ist und das Amt die ganze Woche zu hat. Das hätte man uns natürlich auch sagen können, als wir ein paar Tage zuvor vor Ort waren. Aber sei es drum. Wir verlängern mittlerweile zum dritten Mal unsere Unterkunft und buchen unsere Fähre ein weiteres Mal um. Auch hier nochmal ein riesengroßes Dankeschön an Batu, der es uns ermöglicht hat, so lange in der Wohnung zu bleiben und uns auch noch einen super fairen Preis gemacht hat. Ohne ihn wären wir ganz schön am A**** gewesen. Es war ja jetzt Ferienzeit und die Hotelpreise hatten sich verdoppelt.

Am 16.04.2024 war es dann endlich soweit. Mit Armins Papieren in der Tasche rollen wir früh morgens guter Dinge am Hafen von Turgutreis ein. Dass wir unseren erlaubten Aufenthalt von 90 Tagen in der Türkei ein wenig überzogen hatten, beunruhigt uns nicht. Wir haben uns bei der örtlichen Einwandererbehörde persönlich erkundigt und diese hatte uns informiert, dass wir eine maximale Strafe von 3 EUR pro Tag und pro Person bekommen oder ein Jahr aus der Türkei verbannt werden können, wenn wir Pech haben. Der Beamte, der an diesem Tag an der Grenze im Einsatz war, sah das anders. Erst einmal gab es ein ewiges Hin und Her, es wurde zig Mal telefoniert und beinahe verpassten wir die Fähre. Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde uns mitgeteilt, dass wir über 200 EUR pro Person zahlen sollen. Auf unsere Frage, was passiert, wenn wir nicht zahlen, hieß es, dass wir für fünf (!) Jahre nicht mehr in die Türkei einreisen dürfen. Da wir definitiv nicht bereit waren, diese horrende Strafe zu zahlen, fanden wir uns damit ab, erst einmal nicht in die Türkei zurückkehren zu dürfen.

Wir kamen dann gerade noch rechtzeitig aufs Schiff. Auch wenn wir noch den Anhänger abmontieren mussten, um durch die Passkontrolle zu kommen und Armin sich kurz vor dem Boarding auf einmal übergeben musste – wir haben es geschafft. Die Fährüberfahrt dauert zwar nur 30 Minuten, ist aber auch noch einmal nervenaufreibend. Es ist Armins erstes Mal auf einem Schiff und es geht im überhaupt nicht gut. Wir sind alle drei froh, als wir wieder festen Boden unter den Füßen haben und sind fest überzeugt: ab jetzt kann es nur besser werden!